Selbstrespekt
Auf der Basis interdisziplinärer Ansätze verstehe ich Selbstrespekt als Überzeugung einer Person gleichberechtigt zu sein. Verstanden als Verinnerlichung von Respekterfahrungen lässt sich dies in einen größeren theoretischen Rahmen einbetten: Je mehr Menschen (und bereits Kinder) die Erfahrung machen von anderen als gleichwertige Interaktionspartner*innen ernst genommen zu werden, desto einfacher können sie ein Selbstbild verinnerlichen, anderen gleichberechtigt zu sein. Diese Wahrnehmung kann unabhängig von bestehenden, formalen Rechten sein. Auch in einem Land wie Deutschland, in dem alle vor dem Gesetz gleichberechtigt sind, ist es abhängig davon, inwieweit dieses Berechtigungsempfinden durch Respekt durch andere übermittelt wird. Bleibt dies aus, kann es Menschen schwerfallen, Selbstrespekt zu entwickeln. Ich konnte bisher empirisch zeigen, dass die Verinnerlichung eigener Gleichberechtigung damit zusammenhängt, inwieweit Personen in der Lage sind, sich selbst zu behaupten und gegen Ungerechtigkeit zu protestieren. Ohne dieses Bewusstsein gleicher Rechte fällt es Menschen deutlich schwerer, einen eigenen Platz im Leben für sich zu beanspruchen und diesen gegen Eingriffe anderer zu schützen.
Durch diese Verinnerlichung von Gleichberechtigung werden nicht nur eigene Rechte berücksichtigt und geschützt, sondern auch die (gleichen) Rechte anderer mitgedacht. So zeigte sich in meinen Studien, dass Selbstrespekt nur mit sozial verträglichen Formen von Selbstbehauptung und Protest, nicht aber mit aggressiven Formen zusammenhängt.

Aktuell: Bewilligung DFG-Projekt „Verinnerlichte Gleichberechtigung: Antezedenzien und Konsequenzen von Selbstrespekt“
https://gepris.dfg.de/gepris/projekt/458753025
- Beitrag in bzw. interviewt durch Psychologie heute (Ausgabe 09/2020)
- Beitrag in bzw. interviewt durch Psychologie heute (Ausgabe 09/2018)
Verinnerlichte Gleichberechtigung und Protest gegen Ungerechtigkeit: Die Rolle des Selbstrespekts benachteiligter Gruppenmitglieder für kollektive Protestintentionen
Renger et al. (2020)
Neuere Forschungen zeigen, dass Selbstrespekt (definiert als Fähigkeit sich selbst als eine Person mit gleichen Rechten zu sehen) durchsetzungsfähige, aber nicht aggressive Reaktionen auf Ungerechtigkeit in zwischenmenschlichen Kontexten vorhersagt. Die vorliegende Untersuchung konzentriert sich auf die Entstehung von Selbstrespekt und seine Konsequenzen für kollektive Handlungs- und Protestintentionen bei Mitgliedern benachteiligter Gruppen. In drei Studien (N = 227, N = 454, N = 131) durchgeführt in unterschiedlichen Kontexten und mit unterschiedlichen Stichproben (Diskriminierung von Muslimen in Deutschland; Frauen in Bezug auf Geschlechterungleichheit) sagten Erfahrungen von gleichheitsbasiertem Respekt Selbstrespekt voraus. Darüber hinaus sagte Selbstrespekt in allen drei Studien Absichten für kooperativen oder normativen, nicht aber für feindlichen oder nicht-normativen Protest voraus. Die Ergebnisse zeigen, dass Selbstrespekt das Potenzial besitzt, kollektives Handeln im Angesicht von Ungerechtigkeit zu erleichtern und gleichzeitig positive Beziehungen zwischen den Gruppen zu ermöglichen.
Der Glaube an die eigene Gleichberechtigung: Selbstrespekt als Prädiktor für Selbstbehauptung
Renger (2018)
In der vorliegenden Untersuchung wird Selbstrespekt als die Fähigkeit einer Person definiert, sich selbst als jemanden zu sehen, der die gleichen Grundrechte und die gleiche Würde wie andere hat. Selbstrespekt füllt eine Lücke in der bisherigen Theoriebildung über das Selbst, da er im Gegensatz zu anderen Selbstkonzepten mit Durchsetzungsvermögen und Anspruchsdenken verknüpft werden kann. Selbstrespekt wurde empirisch von Selbstkompetenz und Selbstvertrauen (Studie 1) sowie von psychologischem Anspruchsdenken, globalem Selbstwertgefühl und Selbstakzeptanz (Studie 2) abgegrenzt. Selbstrespekt sagte in zwei korrelativen Studien (Studie 1 und 3) und einem Experiment (Studie 2) durchsetzungsfähige Reaktionen vorher. Wie vorhergesagt, war Selbstrespekt nicht mit aggressiven Reaktionen verbunden, im Gegensatz zu psychologischem Anspruchsdenken (Studien 2 und 3). Es werden Implikationen für die zukünftige Forschung diskutiert.